@inproceedings{Hechler2018, author = {Daniel Hechler}, title = {Learning from history?}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0246-opus4-31992}, year = {2018}, abstract = {Hochschulen sind geschichtsbewusste Institutionen. Doch anders als noch im 19. Jahrhundert kann die akademische Erinnerungskultur heute keine ungebrochene Feier von Kontinuit{\"a}t, des Stolzes auf gro{\"s}e Wissenschaftler oder der Idee einer selbstbewussten Korporation mehr sein. Diese Form der Erinnerung setzte prim{\"a}r auf Traditionspflege. Sie ist unter Druck geraten, zum einen durch die Desaster des 20. Jahrhunderts und die Verstrickung der Hochschulen darin, zum anderen durch eine erhebliche Professionalisierung der Hochschulgeschichtsschreibung. Infolgedessen ist die deutsche Hochschulgeschichte des 20. Jahrhunderts oft in besonders geringer Weise dazu geeignet, hochschulische Institutionengeschichte als Erz{\"a}hlung eines fortw{\"a}hrenden Aufstiegs der jeweiligen Einrichtung zu konstruieren. Damit m{\"u}ssen Hochschulen heute umgehen k{\"o}nnen, was ihnen jedoch recht uneinheitlich gelingt – erkennbar z.B. an der unterschiedlich ausgepr{\"a}gten Souver{\"a}nit{\"a}t, mit der auf zeitgeschichtsbezogene Skandalisierungen hochschulgeschichtlicher Tatbest{\"a}nde reagiert wird. Zugrunde liegt dem eine eher erratische Besch{\"a}ftigung mit der je eigenen Zeitgeschichte. F{\"u}r diese gibt es Gr{\"u}nde: • Hochschulen lassen zwar organisationspolitisch eine intensive Befassung mit ihrer Zeitgeschichte erwarten: Auf diesem Wege ist Legitimation zu gewinnen, k{\"o}nnen Jubil{\"a}en aufgewertet werden und kann Havarien in der Kommunikation mit der {\"O}ffentlichkeit vorgebeugt werden. • Doch organisationspraktisch {\"u}berwiegen die Gr{\"u}nde daf{\"u}r, dass intensivere Befassungen mit der eigenen Zeitgeschichte eher unerwartbar sinWissenschaftsfreiheit, individuelle Autonomie, mangelnde Durchgriffsm{\"o}glichkeiten von Hochschulleitungen, Konflikte um Ressourcen, Planungsresistenz und unsystematisches Entscheidungsverhalten – all das steht dem entgegen. Dies l{\"a}sst sich auf Basis einer empirischen Untersuchung aller 54 ostdeutschen Hochschulen – eben jenen Hochschulen, die aufgrund ihrer DDR-Geschichte unter besonderer Beobachtung des Umgangs mit ihrer Zeitgeschichte stehen – nachvollziehbar machen. Dabei erfolgt hier eine Konzentration auf die Hochschulanlagen, also die Geb{\"a}ude und Campusensembles, da in und auf diesen im allt{\"a}glichen Vollzug von Forschung und Lehre die Geschichte im w{\"o}rtlichen Sinne pr{\"a}sent ist. Das betrifft zum einen die architektonischen Zeugnisse der DDR in Gestalt von Hochschulgeb{\"a}uden und -anlagen, die zum gro{\"s}en Teil auch als Repr{\"a}sentationsobjekte angelegt waren, sowie deren {\"u}berkommene k{\"u}nstlerische Beschriftungen durch Wandbilder und -mosaike, Plastiken und Installationen. Zum anderen betrifft es nach 1989 errichtete oder angebrachte Denkmale und Gedenkzeichen als Zeugnisse der oder/und Aufforderungen zur historischen Reflexion. In der pflegenden Erhaltung {\"u}berkommener Zeugnisse, der Abwahl von als unw{\"u}rdig Bewertetem und der Errichtung neuer zeichenhafter Artefakte konstruieren die Hochschulen ihr Ged{\"a}chtnis, indem sie aus den objektiven Abl{\"a}ufen der Vergangenheit Ged{\"a}chtnisw{\"u}rdiges ausw{\"a}hlen. Die vorzustellende Bestandsaufnahme zeigt, wie sich die ostdeutschen Hochschulen mit ihrer DDR-Geschichte im Raum auseinandersetzen, illustriert dies an diesbez{\"u}glichen exemplarischen Konflikten und setzt dies ins Verh{\"a}ltnis zum Umgang mit Zeugnissen aus der NS-Periode. Die empirischen Grundlagen erm{\"o}glichen hierbei sowohl quantitativ gest{\"u}tzte Begr{\"u}ndungen als auch qualitative Deutungen. Sie f{\"u}hren zur Identifikation von drei Zugangsweisen, die Hochschulen im Umgang mit ihrer Zeitgeschichte w{\"a}hlen: • Geschichtsabstinenz • Geschichte als Tradition und Geschichtspolitik als Hochschulmarketing • Geschichte als Aufarbeitung und Selbstaufkl{\"a}rung Anhand dessen lassen sich zum einen die spezifische Vorstellung von der Institution Hochschule, die – gegen {\"u}berw{\"a}ltigende empirische Befunde – spezifische demokratische Widerstandspotenziale in der akademischen Kultur und Organisation vermutet, und zum anderen der Topos vom „Lernen aus der Geschichte“ pr{\"u}fen.}, language = {en} }