@book{Draheim2004, author = {Antje Draheim}, title = {Probleme der finanzpolitischen Willensbildung in Europa. Eine kritische Analyse der europ{\"a}ischen Haushalts- und Finanzverfassung, Finanzwissenschaftliche Schriften, Bd. 111}, publisher = {Peter Lang Verlag}, address = {Frankfurt am Main}, year = {2004}, abstract = {Abstract 1. Theoretischer Rahmen Ausgehend von der {\"U}berlegung, da{\"s} die Osterweiterung die Finanzen der EU nachhaltig ver{\"a}ndern und schon allein durch die gr{\"o}{\"s}ere Anzahl von \"Spielern\" auf der europ{\"a}ischen Ebene institutionelle Reformen notwendig machen wird, stand die Frage im Mittelpunkt, wie eine europ{\"a}ische Haushalts- und Finanzverfassung denn \"idealerweise\" auszusehen h{\"a}tte und wie sich aus dem Vergleich mit dem Status Quo realistische Reformwege gestalten k{\"o}nnten. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen besch{\"a}ftigen sich seit langem mit dieser Frage. {\"O}konomische Arbeiten konzentrieren sich dabei zumeist auf die Suche nach einem \"optimalen\" Einnahmensystem, die Notwendigkeit von Finanztransfers (Finanzausgleich) oder einzelne Budgetprobleme. Die Rechtswissenschaft versucht, die EU zwischen Staatenbund und Bundesstaat einzuordnen und daraus einen Rahmen abzuleiten. Auch einzelne grunds{\"a}tzliche Fragestellungen, wie z.B. die Rechtsbindung durch Interinstitutionelle Vereinbarungen spielen hier eine Rolle. Die Politikwissenschaft geht fast gar nicht auf den Bereich der Haushalts- und Finanzverfassung ein. Viele Kritikpunkte an der europ{\"a}ischen Haushalts- und Finanzverfassung sind seit langem bekannt und vielfach dargestellt. Jedoch besteht ein Mangel an Arbeiten, die die Wirkungen von Institutionen in der Haushalts- und Finanzverfassung thematisieren, die finanzpolitische Willensbildungsprozesse untersuchen und die den institutionellen Einflu{\"s} des bestehenden Einnahmensystems auf den Haushalt (Ausgabenseite) analysieren. Die Arbeit konzentriert sich auf den grunds{\"a}tzlichen Vorwurf, dass die Institutionen der EU weder ausreichend demokratisch, noch transparent, noch effizient genug seien, um f{\"u}r Beitritte gleich welcher Zahl wirklich ger{\"u}stet zu sein. Die spezifischen institutionellen Strukturen der Haushalts- und Finanzverfassung werden fast vollst{\"a}ndig in allgemeinen Diskussionen ausgeblendet, ohne da{\"s} ein Grund daf{\"u}r ersichtlich ist. Der Analyseschwerpunkt dieser Arbeit lag auf den Institutionen, Regeln und Prozessen der europ{\"a}ischen Haushalts- und Finanzverfassung, da sie die Umsetzungsdimensionen der Demokratie- und Effizienzanforderungen darstellen und desweiteren den Rahmen bilden, in welchem die Akteure der Haushalts- und Finanzverfassung agieren. Operationalisierte Instrumente sind die modifizierten Budgetfunktionen - d.h. auf Europa umgeschriebenen -, die im Licht der normativen Demokratie- und Effizienzanforderungen neu interpretiert werden. Neben der {\"o}konomischen Theorie der Politik und des Fiskalf{\"o}deralismus wurden Ans{\"a}tze der Neuen Institutionen{\"o}konomik herangezogen und daraufhin {\"u}berpr{\"u}ft, inwieweit sie den Inhalt der sogenannten Budgetfunktionen und Haushaltsgrunds{\"a}tze der klassischen Finanzwissenschaft st{\"u}tzen oder modifizieren und wie sie im besonderen politischen Gef{\"u}ge der EU einzuordnen sind. 2. Zusammenfassung der Ergebnisse Der hohe Grad an allgemein politisch-institutioneller Verflechtung und die bisher {\"u}berwiegend funktionalen Pr{\"a}gung der Europ{\"a}ischen Union lassen sich auch grunds{\"a}tzlich in der derzeitigen europ{\"a}ische Haushalts- und Finanzverfassung feststellen. Es gibt eine Vielfalt und Zersplitterung der prim{\"a}ren und sekund{\"a}ren Rechtsquellen und damit auch der Steuerungsinstrumente der Haushalts- und Finanzverfassung. Die haushaltsrechtlichen Steuerungsinstrumente (Haushaltsordnung, Haushaltsgrunds{\"a}tze, Haushaltskreislauf, formale Pr{\"a}sentation) sind nicht in der Lage, die Agenten der europ{\"a}ischen Haushalts- und Finanzverfassung so zu binden, dass die Budgetfunktionen in demokratischer und effizienter Weise umgesetzt werden k{\"o}nnen. Die geteilten Haushaltsbefugnisse in einer \"Gemeinsamen Haushaltsbeh{\"o}rde\" f{\"u}hren zu einer Trennung des formalen Willensbildungsprozesses {\"u}ber die Einnahmen und von dem {\"u}ber die Ausgaben. Dieser Befund kann vor allem auf die grunds{\"a}tzliche Verteilung der Verf{\"u}gungsrechte zur{\"u}ckgef{\"u}hrt werden, welche sich an folgenden Mustern orientiert:
  1. Die Aufteilung der formellen und materiellen Verf{\"u}gungsrechte folgt der Aufteilung der grunds{\"a}tzlichen Gesetzgebungskompetenzen {\"u}ber die Einnahmen und Ausgaben.
  2. Allerdings findet {\"u}berwiegend eine Splittung der formellen und materiellen Verf{\"u}gungsrechte auf mehrere Verf{\"u}gungsrechteinhaber in unterschiedlichen Abstufungen statt.
  3. Auf der Ausgabenseite kommt nochmals eine Trennung der Verf{\"u}gungsrechte nach obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben hinzu.
Anders als zum Beispiel im deutschen Verwaltungsf{\"o}deralismus werden in der europ{\"a}ischen Haushalts- und Finanzverfassung die richtungsweisenden Entscheidungen durch die politischen Organe getroffen, die nur indirekt legitimiert sind und in denen die Regierungen der Mitgliedstaaten repr{\"a}sentiert werden. Nationale Interessen k{\"o}nnen so dominieren. Dadurch wird das grunds{\"a}tzliche Problem verwaltungsf{\"o}deralistischer Strukturen, die politische Kontrolle, in besonderem Ma{\"s}e versch{\"a}rft. 3. Reformbedarf und Reformoptionen Aufsetzend auf den Ergebnissen der empirischen Analyse und unter Einbindung verschiedener Reformvorschl{\"a}ge lassen sich dennoch politische Handlungsempfehlungen ableiten. Empfohlen wird hier ein mittelfristiger Reformpfad. Schlagwortartig bedarf es:
  1. eines Umbaus des Eigenmittelsystems hin zu wirklichen eigenen Einnahmen,
  2. einer politisch-programmatischen Ausrichtung des Gesamthaushalts am europ{\"a}ischen B{\"u}rger, W{\"a}hler und Steuerzahler,
  3. der Ver{\"a}nderung der verfahrensm{\"a}{\"s}igen Bedeutung des interinstitutionellen Rechts, insbesondere der Finanziellen Vorausschau,
  4. der Straffung des Haushaltsverfahrens und der Ver{\"a}nderung der Rolle der Organe darin,
  5. insbesondere im Bereich des verwaltungsf{\"o}deralistischen Vollzugs der Beschr{\"a}nkung auf das Setzen von Rahmenregeln durch die EU-Ebene,
  6. der Verbesserung der politischen Kontrolle
  7. ,
  8. der Einrichtung eines impliziten, integrationspolitisch motivierten Finanzausgleichs unter
  9. der Einbindung eines gedeckelten Kompensationsfonds sowie
  10. wirksamen Sanktionen zur Durchsetzung der Regeln.
In diesem Rahmen sollte das bisherige Eigenmittelsystems schrittweise durch ein Steuersystem ersetzt werden, welches dann greift, wenn eine tats{\"a}chliche Anbindung des Parlaments an den W{\"a}hlers (Steuerzahlers) erreicht ist. Unter dieser Bedingung kann ein Steuersystem die Voraussetzungen f{\"u}r einen funktionierenden Steuer-Ausgaben-Mechanismus schaffen. Die Organe der Haushaltsbeh{\"o}rde, Ministerrat und Parlament, sollten das neue Eigenmittelsystem gemeinsam verabschieden. Die bisher notwendige Ratifizierung durch die nationalen Parlamente kann durch Referenden abgel{\"o}st werden. Auf der Ausgabenseite ist vor allem die tats{\"a}chlich programmatisch-politische Orientierung des EU-Budgets sicherzustellen. Zieldefinitionen, die an den Pr{\"a}ferenzen der W{\"a}hler ausgerichtet sind, und stetige Kontrolle dieser Ziele sind daf{\"u}r Voraussetzung. Gleichzeitig muss das derzeitige Hauptinstrument der horizontalen Kooperation, das interinstitutionelle Recht, begrenzt werden. Und schlie{\"s}lich tr{\"a}gt ein transparenteres, einfacheres Haushaltsverfahren zur Verbesserung des Status Quo bei. Dabei sind die Willensbildungsprozesse {\"u}ber Einnahmen und Ausgaben formal und institutionell einander anzugleichen. Neben diesen auf die institutionellen Binnenwirkungen gerichteten Vorschl{\"a}gen wird in der Arbeit empfohlen, auf der Ausgabenseite ein Finanzausgleich einzuf{\"u}hren. Vertikale, zweckgebundene Transfers k{\"o}nnen die Erreichung der vorher definierten (politischen!) Integrationsziele sicherstellen. Die bisherige Kofinanzierung sollte modifiziert werden, um auch Anreize f{\"u}r die Transferempf{\"a}nger zu setzen. Innerhalb dieses Finanzausgleichs w{\"a}re ein Kompensationsfonds einzurichten, der je nach Art der vorzunehmenden Kompensation zweckgebundene oder zweckfreie Transfers vorsieht. Der Kompensationsfonds muss sowohl der H{\"o}he nach als auch zeitlich limitiert werden und kann {\"u}ber besondere Anreize (z.B. Anrechnung auf Koh{\"a}sionziele) zus{\"a}tzlich zu einer weiteren Integration beitragen. Unbedingt zu ver{\"a}ndern sind die Institutionen der Kontrolle, dies gilt gleicherma{\"s}en f{\"u}r die politische wie auch f{\"u}r die administrative Kontrolle. Mit Rechnungshof, Haushaltsausschuss und Haushaltskontrollausschuss verf{\"u}gt die Europ{\"a}ische Union bereits {\"u}ber wesentliche politische Kontrollinstitutionen. Deren Stellung im Haushaltsproze{\"s} mu{\"s} aber verbessert werden. Eine verbesserte administrative Kontrolle l{\"a}{\"s}t sich durch straffere Regeln f{\"u}r die Mittelverwaltung auf EU-Ebene und durch eine striktere Einbindung der mitgliedstaatlichen Verwaltungen in der Verantwortung erreichen. Um die Kontrolle insgesamt zu verbessern, reichen Anreize zu regelgerechtem Verhalten nicht aus. Hier sind zus{\"a}tzliche Sanktionsmechanismen notwendig.}, language = {de} }