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Die empirische Kultursoziologie und die neuere Sozialstrukturanalyse haben in beeindruckender Weise die Sozialstruktur der Konsumenten von kulturellen Angeboten, insbesondere der Hochkultur beschreiben können. Ausgespart bleibt an dieser Stelle aber häufig die Erklärung für diese spezifische Zusammensetzung des Publikums. Der Aufsatz macht deutlich, dass man die Sozialstruktur des Opernpublikums sehr gut durch unterschiedliche Besuchsmotive erklären kann. Während eine Präferenz für Opernmusik und eine Identifikation mit der Oper für alle Besucher relevant ist, zeigt sich, dass höher gebildete Personen stärker über die soziale Anerkennung durch andere Personen in ihrem sozialen Netzwerk motiviert sind. Ältere Befragte sind im Gegensatz dazu stärker durch die normative Distinktion zum Opernbesuch motiviert. In diesen Ergebnissen wird deutlich, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen tatsächlich verschiedene Motive für den Opernbesuch haben. Eine Clusteranalyse legt eine Unterscheidung zwischen vier Typen von Opernbesuchern nahe, die sich in Sozialstruktur und Besuchsmotiven unterscheiden.
Mit 193.929 Studienberechtigten lag die Quote derer, die direkt im Jahr des Schulabschlusses ein Studium aufnehmen, 2014 bei 44,6%. Zehn Jahre zuvor waren es nur 32,2 % (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Tab. F2-7web). Diese und weitere Veränderungen des Hochschulsystems - wie die Einführung des Bachelor-Mastersystems - führten dazu, dass sich deutsche Hochschulen den Schnittstellenproblemen des Übergangs von der Schule zur Hochschule widmeten (Mischauk 2009, S. 22). Aktivitäten in diesem Handlungsfeld belegen zudem, dass Hochschulen „ihrer Verantwortung für den Übergang Schule-Hochschule nachkommen“ (Wolters 2011, S. 5). Bislang unbeantwortet sind allerdings Fragen zur Entwicklung und Implementierung von hochschulweiten Strategien für den Übergang Schule-Hochschule in den Hochschulen (Helferich/Bechthold 2008, S. 127). Diese Forschungslücke aufgreifend, fokussiert das vorliegende qualitative empirische Forschungsdesign sich auf die Forschungsfrage: „Welcher Ansatz liegt der Strategiebildung für den Übergang Schule-Hochschule in den Hochschulen zugrunde?“ In der Managementliteratur existieren unterschiedliche Ansätze der Strategiebildung. Zur Unterscheidung von Strategieansätzen übertrug Zechlin (2007) das Modell von Whittington (2001) auf den Hochschulbereich. Aus Fragen nach strategischen Zielen und Prozessen resultiert eine Vier-Felder-Matrix. In den beiden oberen Quadranten finden mit den „klassischen Ansätzen“ und dem „New Public Management“ die an der Betriebswirtschaftslehre orientierten Ansätze ihren Platz. In den unteren Quadranten werden die der sozialwissenschaftlichen Organisationsforschung entstammenden „systemischen Ansätze“ und die „evolutionären Ansätze“ verortet. (Zechlin 2007, S.127) Ziel ist die Anwendung dieses Modells auf den strategischen Zugang für den Übergang Schule-Hochschule. Da Leitungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien eine besondere Verantwortung zukommt (Berthold 2011, S. 1ff.), erfolgt die Analyse anhand von 15 leitfadengestützten Experteninterviews mit Mitgliedern der Hochschulleitungen. Das transkribierte Material wird anhand der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Der Kodierleitfaden des deduktiven Kategoriensystems beruht auf der theoretischen Systematik von Zechlin (2007). Dementsprechend wird untersucht, ob eindimensionale Ziele oder plurale Ziele seitens der Hochschulleitungen für den Übergang Schule-Hochschule angestrebt werden. Ferner werden die Aussagen kodiert hinsichtlich einer bewusst durch die Hochschulleitung geplanten oder emergenten, aus dem System heraus erfolgten, Strategieentstehung. Abschließend wird die Typologie strategischer Hochschulentwicklung von Zechlin (2007) auf den Strategieprozess des Übergangs Schule-Hochschule angewendet. Es ist zu erwarten, dass keine eindeutige gemeinsame Verortung aller Hochschulen in der Vier-Felder-Matrix möglich ist, sondern die Ansätze der Strategiebildung hochschulspezifisch variieren. Eine Diskussion möglicher Faktoren für das erwartete Ergebnis steht aus. Literaturverzeichnis: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016): Bildung in Deutschland 2016 Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld. Online verfügbar unter http://www.bildungsbericht.de. [zuletzt geprüft am 27.11.2017] Berthold, C. (2011): „Als ob es einen Sinn machen würde…“ Strategisches Management an Hochschulen, Gütersloh. Helferich, P./Bechthold, G. (2008): Wie geht es weiter? In: Bechtold, G./Helferich, P. (Hg.): Generation Bologna. Neue Herausforderungen am Übergang Schule-Hochschule, Bielefeld, S. 125-129. Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim. Mischauk, Elke (2009): Das Bachelor-Master-System aus studentischer Sicht. In: TriOS: Übergang Schule - Hochschule, S. 21–31. Wolters, W. (2011): Studienorientierung als vorrangige Aufgabe der Hochschulen. In: Zeitschrift für Beratung und Studium (1), S. 4-6. Whittington, R. (2001). What is Strategy – and does it matter? London. Zechlin, L. (2007): Strategische Hochschulentwicklung. Überlegungen zu einer Typologie. In: die hochschule (1), S. 115-131.
Die Lernende Stadt
(2018)
Verortung im sozialen Raum.
(2018)
In die Nutzung von digitalen Medien in Studium und Lehre an Hochschulen werden diverse Hoffnungen gesetzt, wie z.B. die Verbesserung und Nutzeradäquanz von Hochschullehre und zwar sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch und besonders in Bezug auf die Diversität der Studierenden. So wecken digitale Medien die Hoffnung Ungleichheiten im Bildungssystem zu verringern. Beispielsweise erklärte die UNESCO, dass digitale Technologien "zum universellen Zugang zu Bildung, zur Gerechtigkeit in der Bildung, zur Bereitstellung von qualitativ hochwertigem Lernen und Lehren beitragen können" (http://www.unesco.org/new/en/unesco/themes/icts/). Doch ist das tatsächlich der Fall? Profitieren wirklich die Studierenden von digitalen und vor allem offenen Bildungsangeboten, die bisher von struktureller Ungleichbehandlung betroffen sind? Bisherige Studien deuten eher in eine andere Richtung. So zeigt beispielsweise die Studie von Engle, Mankoff und Carbrey (2015), dass die Wahrscheinlichkeit einen MOOC-Kurs abzuschließen steigt, wenn bereits ein Studienabschluss vorliegt. Studienabschlüsse erlangen wiederum eher die Studierenden aus Akademikerelternhäusern. Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass eine digitale Spaltung (digital divide) vorliegt, d.h. auch hier Studierende mit hohen kulturellen, öokonomischen und sozialen Ressourcen höhere digitale Kompetenzen besitzen und entsprechend digitale Angebote eher für ihr Studium adäquat nutzen können (van Dijk 2005). Doch wie genau zeigt sich die digitale Kluft, d. h. welche Ungleichheiten in der Hochschulbildung durch digitale Medien existieren, zunehmen oder entstehen? Um diese Forschungsfrage zu beantworten, wird die Habitus-Theorie von Bourdieu (1987) und die Milieustudien über Deutschland (Vester et al. 2001) nutzen, um zu analysieren, welche Nutzerpraktiken Studenten in Bezug auf digitale Technologien haben. Basierend auf Bourdieus Theorie gibt es Praktiken des Alltags (Alltagsroutinen), die auf der jeweiligen Zugehörigkeit zu einem Milieu basieren. Um diese Praktiken in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien von Studierenden für das Studium aufzudecken werden lebensweltliche Interviews durchgeführt und mit der Habitus-Hermeneutik ausgewertet (Bremer und Teiwes-Kügler 2013). Das Ergebnis der Analyse sind Nutzungstypen, die sich aufgrund der Milieuzugehörigkeit im sozialen Raum verorten lassen. Im vorgeschlagenen Vortrag sollen diese Nutzungstypen vorgestellt und diskutiert werden, was die digitale Spaltung aufgrund milieuspezifischer Praktiken für die Weiterentwicklung von Hochschulen bedeutet. Literatur: Bourdieu, P. 1987b. Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bremer, H., Teiwes-Kügler, C. 2013: Habitusanalyse als Habitus-Hermeneutik. ZQF 14:199–219. van Diejk, J. 2005: The Deepening Divide. Inequalities in the Information Society. London: Sage. Vester, M./von Oertzen, P./Geiling, H./Hermann, T./Müller, D. 2001: Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Verortung im sozialen Raum. Nutzung... (PDF Download Available). Available from: https://www.researchgate.net/publication/324482859_Verortung_im_sozialen_Raum_Nutzung_digitaler_Medien_im_Studium [accessed May 11 2018].
Sowohl national als auch international wird Durchlässigkeit im Bildungssystem und insbesondere zwischen beruflicher und Hochschulbildung seit mehreren Jahren gefordert. Wenn man nun den Hochschulraum in Anlehnung an Bourdieus Konzept des sozialen Raumes versteht, dann kann dieser als relationale Anordnung von gesellschaftlichen Differenzierungen und damit als Institutionalisierung sozialer Hierarchien begriffen werden. Vor diesem Verständnis kann eine erhöhte Durchlässigkeit und damit der Zugang zum Hochschulraum von neuen Studierendengruppen zu einer Veränderung der Charakteristika des Hochschulraumes und der zugehörigen vertikalen und horizontalen Verteilung von sozialen Gruppen im Raum führen. Folgende Fragen ergeben sich: Wie wird berufliche Bildung und die Gruppe der beruflich Qualifizierten im Hochschulraum diskursiv in Deutschland und Frankreich positioniert? Inwiefern kam es im Zeitraum von 1990-2012 in beiden Ländern zu Veränderungen? Der Vergleich der Durchlässigkeitsdiskurse in Deutschland und Frankreich folgt dabei der Logik der Differenz. Beide Länder sind durch ihre unterschiedlichen Bildungstraditionen, Ideale und institutionellen Gegebenheiten geprägt, die sich auch in einem unterschiedlichen Verhältnis zwischen Berufs- und Hochschulbildung widerspiegeln. Die Analyse der Durchlässigkeitsdiskurse erfolgt aus der Forschungsperspektive der wissenssoziologischen Diskursanalyse (Keller 2008). Mit dieser gerät die Konflikthaftigkeit von Wandlungsprozessen, die mit Strukturveränderungen und damit womöglich auch mit Veränderungen von Positionierungen im Raum verbunden sind, in den Fokus. Durchlässigkeit wird als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden, das Fragen des Zugangs, der Anrechnung, organisationaler Verbindung zwischen Berufs- und Hochschulbildung und Umgang mit Heterogenität der Lernenden umfasst. Auf Basis dieses Verständnisses kann dann die diskursiv konstruierte Positionierung im Raum analysiert werden. Wer wird als legitime soziale Gruppe für den Zugang zum Hochschulraum konstruiert? Inwiefern wird berufliches kulturelles Kapital als gleichwertig anerkannt und angerechnet? Welche Charakteristika (Kapitalien und Dispositionen) werden der Gruppe der beruflich Qualifizierten zugeschrieben? Werden nur bestimmte Hochschulorganisationen geöffnet? Inwiefern werden Strukturen geschaffen, die ein erfolgreiches Studieren dieser Gruppe erleichtern können? Für den Zeitraum von 1990-2012 wurden 250 Stellungnahmen wichtiger bildungspolitischer Akteure in Frankreich und Deutschland zu Fragen von Durchlässigkeit in Anlehnung an das Vorgehen der Grounded Theory Methodologie diskursanalytisch untersucht. Es zeigt sich, dass sich in den Diskursen die Positionierungen im Hochschulraum sowohl in Deutschland als auch in Frankreich geändert haben. Der Hochschulraum wird (mehr oder weniger) für die soziale Gruppe der beruflich Qualifizierten geöffnet. Dabei werden starke Deutungskämpfe, vor allem im deutschen Fall, sichtbar. Hier gilt die Gruppe der beruflichen Qualifizierten einerseits als Gefahr für die Qualität der Hochschulbildung, da ein Mangel an allgemeinbildendem kulturellem Kapital konstruiert wird. Andererseits wird eine Gleichwertigkeit der ausgebildeten Dispositionen in der beruflichen und allgemeinen Bildung angenommen, wodurch beruflich Qualifizierte als legitime Studierendengruppe konstruiert wird. In Frankreich zeigt sich die Veränderung vor allem darin, dass berufliche Abiturient_innen, die formal eine Zugangsberechtigung für den Hochschulraum besitzen, im Laufe der Zeit auch als legitime Studierende anerkannt werden, allerdings deutlich am unteren Ende der Hierarchie des differenzierten Hochschulsystems. Keller, R. (2008). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften
From today's viewpoint it seems almost inconceivable that there once was a time where academia functioned without peer review processes, which are now so much part and parcel of the academic environment. Peer review is mainly taken for granted and we assume that it generally works well in estimating the worth of academic outputs of differents kinds (publications, grant proposals etc.) However, the process itself is not free of criticism and much can still be done to improve review quality. In this paper I explore and question the purpose and function of peer review, engage with various problems that can occur in the process, and make suggestions for ways in which peer review might be improved. It is based on empirical research, participation in various peer review forms and observation of accreditation practice.
Die Ideen der Universität
(2018)
Einst genügte es, von „universitas magistrorum et scholarium“, „universitas litterarum“, der „Humboldt-schen Universitätsidee“ oder dem „Wesen der deutschen Universität“ zu sprechen, um ein allgemeines konzeptionelles Einvernehmen zu erzeugen bzw. zu bekräftigen. Seit der „Hochschule in der Demokratie“ ändert sich das. Die Hochschulkonzepte vervielfältigten sich, wobei über die vergangenen fünfzig Jahre hin eine beträchtliche Steigerungsdynamik zu beobachten war. Die Hochschulexpansion verband sich mit einer Hochschulkonzepteexpansion. Heute gibt es unterschiedlichste Konzepte, die tatsächlich oder vermeintlich das Denken über und/oder das Handeln der Hochschulen anleiten – teils hergebrachte, die verteidigt werden, teils neue, die durchgesetzt werden sollen. Zu fragen ist, • ob die verschiedenen Konzepte als empirische Beschreibungen, zeitdiagnostische Entwürfe, programmatische Orientierungen oder pro¬gnostische Beschreibungen offeriert werden und inwieweit dies jeweils gedeckt ist; • ob sie funktional dazu dienen, Hochschulreformentwicklungen argumentativ zu munitionieren oder Reformansinnen abzuweisen; • inwieweit sie sich gegenseitig ausschließen, einander ergänzen, Überlappungen aufweisen oder aber so wenig miteinander zu tun haben, dass ihre parallele Geltungskraft unschädlich ist. Dazu wird in zwei Schritten vorgegangen. Zunächst werden die Konzepte nach ihren Quellen und epistemischen Qualitäten kategorisiert. Dies führt zu vier Gruppen: • sozialwissenschaftliche Beschreibungen (z.B. Organisierte Anarchie, Hochschule als Expertenorganisation, Wissensgesellschaft, Mode 2); • Hochschulbildungskonzepte (etwa Humboldtsche Universitätsidee, Eliteuniversität, Forschendes Lernen, Bologna-Hochschule, Kompetenzorientierung, Virtuelle Hochschule); • gesellschaftspolitisch inspirierte Programmatiken (bspw. Hochschule als Organisation, Geschlechtergerechte Hochschule, Hochschulen als regionaler Bildungsfaktor, Third Mission, The Engaged University, Nachhaltige Hochschule, Transformative Wissenschaft, Europäischer Hochschul- und Forschungsraum); • ökonomisch inspirierte Konzepte (z.B. Triple Helix, The Entrepreneurial University, RIS-University-Modell, Hochschule im Wettbewerb, Deregulierte Hochschule, Exzellenzuniversität). Sodann werden die Konzepte anhand von fünf Kriterien geprüft und vergleichbar gemacht: • Grad der normativen Aufladung, • zugrundeliegendes Menschenbild, • Konzeptualisierung des Verhältnisses von Hochschule und Gesellschaft, • orientierender Bildungsbegriff, • Verhältnis von Idealbild und Realbild
Learning from history?
(2018)
Hochschulen sind geschichtsbewusste Institutionen. Doch anders als noch im 19. Jahrhundert kann die akademische Erinnerungskultur heute keine ungebrochene Feier von Kontinuität, des Stolzes auf große Wissenschaftler oder der Idee einer selbstbewussten Korporation mehr sein. Diese Form der Erinnerung setzte primär auf Traditionspflege. Sie ist unter Druck geraten, zum einen durch die Desaster des 20. Jahrhunderts und die Verstrickung der Hochschulen darin, zum anderen durch eine erhebliche Professionalisierung der Hochschulgeschichtsschreibung. Infolgedessen ist die deutsche Hochschulgeschichte des 20. Jahrhunderts oft in besonders geringer Weise dazu geeignet, hochschulische Institutionengeschichte als Erzählung eines fortwährenden Aufstiegs der jeweiligen Einrichtung zu konstruieren. Damit müssen Hochschulen heute umgehen können, was ihnen jedoch recht uneinheitlich gelingt – erkennbar z.B. an der unterschiedlich ausgeprägten Souveränität, mit der auf zeitgeschichtsbezogene Skandalisierungen hochschulgeschichtlicher Tatbestände reagiert wird. Zugrunde liegt dem eine eher erratische Beschäftigung mit der je eigenen Zeitgeschichte. Für diese gibt es Gründe: • Hochschulen lassen zwar organisationspolitisch eine intensive Befassung mit ihrer Zeitgeschichte erwarten: Auf diesem Wege ist Legitimation zu gewinnen, können Jubiläen aufgewertet werden und kann Havarien in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit vorgebeugt werden. • Doch organisationspraktisch überwiegen die Gründe dafür, dass intensivere Befassungen mit der eigenen Zeitgeschichte eher unerwartbar sinWissenschaftsfreiheit, individuelle Autonomie, mangelnde Durchgriffsmöglichkeiten von Hochschulleitungen, Konflikte um Ressourcen, Planungsresistenz und unsystematisches Entscheidungsverhalten – all das steht dem entgegen. Dies lässt sich auf Basis einer empirischen Untersuchung aller 54 ostdeutschen Hochschulen – eben jenen Hochschulen, die aufgrund ihrer DDR-Geschichte unter besonderer Beobachtung des Umgangs mit ihrer Zeitgeschichte stehen – nachvollziehbar machen. Dabei erfolgt hier eine Konzentration auf die Hochschulanlagen, also die Gebäude und Campusensembles, da in und auf diesen im alltäglichen Vollzug von Forschung und Lehre die Geschichte im wörtlichen Sinne präsent ist. Das betrifft zum einen die architektonischen Zeugnisse der DDR in Gestalt von Hochschulgebäuden und -anlagen, die zum großen Teil auch als Repräsentationsobjekte angelegt waren, sowie deren überkommene künstlerische Beschriftungen durch Wandbilder und -mosaike, Plastiken und Installationen. Zum anderen betrifft es nach 1989 errichtete oder angebrachte Denkmale und Gedenkzeichen als Zeugnisse der oder/und Aufforderungen zur historischen Reflexion. In der pflegenden Erhaltung überkommener Zeugnisse, der Abwahl von als unwürdig Bewertetem und der Errichtung neuer zeichenhafter Artefakte konstruieren die Hochschulen ihr Gedächtnis, indem sie aus den objektiven Abläufen der Vergangenheit Gedächtniswürdiges auswählen. Die vorzustellende Bestandsaufnahme zeigt, wie sich die ostdeutschen Hochschulen mit ihrer DDR-Geschichte im Raum auseinandersetzen, illustriert dies an diesbezüglichen exemplarischen Konflikten und setzt dies ins Verhältnis zum Umgang mit Zeugnissen aus der NS-Periode. Die empirischen Grundlagen ermöglichen hierbei sowohl quantitativ gestützte Begründungen als auch qualitative Deutungen. Sie führen zur Identifikation von drei Zugangsweisen, die Hochschulen im Umgang mit ihrer Zeitgeschichte wählen: • Geschichtsabstinenz • Geschichte als Tradition und Geschichtspolitik als Hochschulmarketing • Geschichte als Aufarbeitung und Selbstaufklärung Anhand dessen lassen sich zum einen die spezifische Vorstellung von der Institution Hochschule, die – gegen überwältigende empirische Befunde – spezifische demokratische Widerstandspotenziale in der akademischen Kultur und Organisation vermutet, und zum anderen der Topos vom „Lernen aus der Geschichte“ prüfen.