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4. Speyerer Weintagung
(2012)
Zwei vorzeitige Rücktritte und die dritte Wahl eines Bundespräsidenten in nicht einmal drei Jahren haben den Blick auf das Verfahren gelenkt, in welchem das Staatsoberhaupt in Deutschland bestellt wird. Ja, sie haben sogar die Frage aufgeworfen, ob die Republik überhaupt noch einen Bundespräsidenten braucht. Der jüngste Rücktritt hat darüber hinaus den finanziellen Status ehemaliger Präsidenten in den Fokus gerückt. Ein "Ehrensold", lebenslang in voller Höhe des Amtsgehalts, für einen 52-Jährigen, der nur 20 Monate amtiert hat und in Unehren ausgeschieden ist, hat heftige öffentliche Diskussionen hervorgerufen und dazu veranlasst, die Voraussetzungen des Ehrensolds genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Frage, wie es zu der für deutsche Amtsträger einmaligen Hundert-Prozent-Regelung kommen konnte, verlangt ebenfalls eine Antwort. Zugleich ist die konkrete Entscheidung des Bundespräsidialamts, Christian Wulff den Ehrensold zu gewähren, zu überprüfen und die noch ausstehende Entscheidung über die nachamtliche Ausstattung, die ExPräsidenten üblicherweise gewährt wird, zu erörtern.
Hier soll die Berechtigung einer begrenzten staatlichen arteienfinanzierung keineswegs in Frage gestellt werden. Sie kann ein gewisses Gegengewicht zur Macht der Exekutive und der Wirtschaft bilden. Heute geht es aber nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie, das Wieviel und das Wofür. Das zentrale Problem ist die mangelnde Kontrolle der in eigener Sache entscheidenden Parlamente bei gleichzeitig leichter Verfügbarkeit der Mittel und großer Versuchung zum Missbrauch. Die Reformbereitschaft, ja überhaupt die Erkenntnis der Probleme, wird bisher dadurch blockiert, dass die etablierten Demokratietheorien ihre normativen Standards senken, um sie der Entwicklung anzupassen, oder die Entwicklung völlig ignorieren. Auch die Staatsrechtslehre hat in ihrer Hauptrichtung die Probleme noch nicht erkannt. Sie konzentriert sich immer noch auf die formalen Parteien und übersieht dabei das rasante Wachstum der „Parteien im Staat“.
Da die Politik die nötige Transparenz und Kontrolle von selbst kaum einführen wird, wird einmal mehr das BVerfG eingreifen müssen. Nachdem das Gericht in seinem Urteil zur Fünfprozentklausel bei Europawahlen vom 9.11.2011 die
Kartellparteien im Bundestag nachdrücklich kritisiert und bestätigt hat, dass es auch in Zukunft bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache besonders streng kontrollieren wird, dürfte ein Eingreifen auch hinsichtlich Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und Parteistiftungen nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Die Abwägungsfehlerlehre
(2012)
Dürfen Bundestagsabgeordnete ihre Freifahrtberechtigung nur mandatsbezogen oder auch für sonstige Zwecke nutzen? Die Frage wird im staatsrechtlichen Schrifttum seit langem behandelt. Dabei ist zwischen Verfassungs- und einfachem Gesetzesrecht, zwischen Staats- und Steuerrecht zu unterscheiden. Neben der Frage des Ob-überhaupt stellt sich die weitere Frage, wie eine Privatnutzung steuerlich zu bewerten ist.
Twinning peaks
(2012)
Bundespräsident Wulff erhielt in seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident einen Kredit von 500 000 Euro von dem befreundeten Ehepaar Geerkens. Dieser Kredit, der in Zusammenhang mit anderen Fällen von Gunsterweisen durch Geerkens und andere finanziell potente Freunde Wulffs - seit einiger Zeit öffentlkh diskutiert wird, soll hier in den Gesamtzusammenhang gestellt und einer juristischen Wertung unterzogen werden.
Bundespräsident Christian Wulff erhielte im Falle seines Rücktritts – entgegen verbreiteter Meinung – keinen „Ehrensold“, es sei denn, die Bundesregierung würde dem Gesetz Gewalt antun. Als Steuerzahler können wir also aufatmen. Ein lebenslanger Ehrensold in Höhe des vollen Gehalts nach 1 1/2jähriger Amtszeit eines 52jährigen Bundespräsidenten, der dem Amt keine Ehre gemacht hat, erschiene vielen als grob unangemessen. Als Bürger aber bleiben wir enttäuscht und Politikerverdrossen. Denn da Wulff auch seine Ministerpräsidenten- und Abgeordnetenpension erst später erhält, er im Falle eines Rücktritts also ziemlich mittellos dastehen würde, wird nun klar, warum er so hartnäckig an seinem Amt festhält und freiwillig kaum zum Rücktritt bereit sein dürfte. Wir werden ihn nicht los, auch wenn er sich für sein Amt disqualifiziert hat. Vor einem Dilemma steht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel: Entweder verbiegt sie das Gesetz und verspricht Wulff doch noch den Ehrensold oder sie muss ihn weiter als Bundespräsidenten ertragen, auch wenn er zur politischen Belastung wird. Die auch finanzielle – Abhängigkeit von der Bundeskanzlerin nimmt dem Bundespräsidenten nun erst recht die für sein Amt unerlässliche Unabhängigkeit und schadet seinem Ansehen zusätzlich.
Was aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur 5-Prozent-Klausel bei Europawahlen folgt
(2012)
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur 5-ProzentKlausel bei Europawahlen setzt die strenge Kontrolle von Wahl- und Parteienfinanzierungsgesetzen durch den Zweiten Senat fort. Aus den Gründen dieser Entscheidung lassen sich Hinweise für die Beurteilung des neuen Bundestagswahlgesetzes entnehmen. Zusätzlich gibt das Urteil Fingerzeige für die rechtliche Einschätzung der "Parteien im Parlament", die aufgrund ihrer allzu großzügigen, selbst bewilligten Staatsfinanzierung immer mehr Parteiaufgahen übernehmen.
Über Widerstand
(2012)