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Diener vieler Herren
(1998)
Während Normalverdiener ein ganzes Leben lang arbeiten müssen, um ihre Rente zu verdienen, brauchen Berufspolitiker dafür oft nur kurze Zeit: Jedes ihrer Amtsjahre verschafft ihnen ein Vielfaches an Rentenwert - Spitzenwerte gehen bis zum 75fachen. Aber damit nicht genug: Politiker können Einkommen und Renten aus verschiedenen Ämtern in Gemeinde, Land und Bund geradezu sammeln, ohne daß eine angemessene Verrechnung greift. Sie sitzen gleichzeitig im Parlament und auf der Regierungsbank und beziehen aus beiden Ämtern ein Salär. Abgeordnete können sogar ungestraft ihre Unabhängigkeit an finanzkräftige Interessenten verkaufen - als »Diener vieler Herren«.
Schonungslos macht der Autor hier erstmals das ganze System der Mehrfachversorgung unserer Politiker publik. Aber er erschöpft sich nicht allein in der Kritik, sondern legt einen konkreten Aktionsplan für die notwendigen Reformen vor. - Ein »Handbuch für wütende Wähler «.
Art. 191 EGV schreibt "politischen Parteien auf europäischer Ebene" bestimmte Funktionen zu und ermächtigt Parlament und Rat, den Status dieser Parteien und ihre Finanzierung aus dem EU-Haushalt zu regeln. Auf dieser Grundlage wurde im Jahre 2003 die europäische Parteienverordnung erlassen, deren Finanzierungsvorschriften am 20. Juli 2004 in Kraft getreten sind.
Als "politische Partei auf europäischer Ebene" definiert die Verordnung eine "politische Partei" (Vereinigung von Bürgern) oder ein "Bündnis politischer Parteien" (strukturierte Zusammenarbeit mindestens zweier politischer Parteien), welche(s) in mindestens einem Viertel der 25 Mitgliedstaaten erfolgreich ist. Wer in sieben Ländern zumindest bei den Regionalwahlen Abgeordnete in die Volksvertretung entsenden kann, bekommt EU-Geld. Jedenfalls wird er an einem Topf beteiligt, der 15 Prozent der gesamten öffentlichen Mittel umfasst. Den Löwenanteil von 85 Prozent teilen dagegen diejenigen unter sich auf, die zusätzlich bei Europawahlen erfolgreich sind.
Dies sind die derzeit bestehenden Bündnisse politischer Parteien, auf die die Verordnung offenbar gemünzt ist: die "Sozialdemokratische Partei Europas" (SPE) als Zusammenschluss der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, die "Europäische Volkspartei" (EVP) als Organisation des bürgerlich-konservativen Lagers, die "Liberale und Demokratische Partei Europas" (LIBE) als Zusammenschluss der liberalen Parteien, die "Europäische Freie Allianz" (EFA) als Föderation regionalistisch orientierter Parteien und die "Europäische Grüne Partei" (EGP) als Dachorganisation der Grünen Parteien. Hinzu kommt die Partei der Europäischen Linken (EL) als Zusammenschluss der nicht sozialistischen Linken, die sich noch vor der Europawahl konstituiert hat.
Die vorgesehene öffentliche Finanzierung europäischer Parteibündnisse widerspricht den in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen eklatant. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Beurteilungsgrundsätze binden europäische Organe zwar nicht. Sie sind aber keinesfalls bedeutungslos, weil sie, zumindest in Deutschland, politische Wirkung entfalten können. Zudem fließen sie in die Entwicklung europarechtlicher Grundsätze mit ein. Dasselbe gilt für die Grundsätze, die der Europarat aufgestellt hat.
Die Finanzierung widerspricht dem primären Europarecht, und zwar sowohl Art. 191 EGV als auch den Grundsätzen der Gleichheit und der Bürgernähe, die auch nach EU-Recht verbindlich sind. Alle diese rechtlichen Anforderungen laufen auf zwei demokratische Grundprinzipien hinaus:
<ol><li>die Gewährleistung einer gewissen Bürgernähe (bzw. "Staats"ferne) der Parteien und</li>
<li>die Gewährleistung von Gleichheit zur Sicherung der Offenheit und Fairness des politischen Wettbewerbs.</li></ol>
Die Verordnung verletzt beide Fundamentalsätze mehrfach: Die Klassifizierung der Parteibündnisse als "politische Parteien" widerspricht dem Parteibegriff. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellen die Mitgliedschaft natürlicher Personen sowie die Aufstellung von Kandidaten bei Wahlen unabdingbare Voraussetzungen für die Anerkennung als politische Partei dar. Dieser einheitliche Parteienbegriff, der ein Minimum an Bürgernähe der Parteien sichern soll, hat auch europarechtliche Relevanz. Die Parteibündnisse erfüllen in ihrer jetzigen Form beide Begriffselemente nicht. In den Statuten aller europäischen Parteibündnisse wird natürlichen Personen, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle zugewiesen. Die Aufstellung von Kandidaten bei Europawahlen wird von den nationalen Parteien Jagenommen. Den Parteibündnissen fehlt somit genau das, was politische Parteien im Kern ausmacht.
Die Parteibündnisse sind deshalb keine Parteien im Sinne des Art. 191 EGV. Die Verordnung entbehrt damit von vornherein der europarechtlichen Grundlage.
Ohne Bürger als Mitglieder und die Aufstellung von Kandidaten bei Europawahlen können die Parteibündnisse auch die ihnen durch Art. 191 EGV zugewiesenen Funktionen nicht erfüllen. Sie können weder den "politischen Willen der Bürger" zum Ausdruck bringen noch ein "europäisches Bewusstsein" herausbilden, wie dies Art. 191 verlangt. Beides kann nach demokratischen Grundsätzen, zu denen sich auch die Europäische Union bekennt (Art. 6 Abs. 1 EUV), nur von unten nach oben erfolgen und nicht, wie von der Verordnung vorgesehen, von oben nach unten. Damit können Parteibündnisse erst recht nicht als "Parteien auf europäischer Ebene" im Sinne des Art. 191 EGV anerkannt werden.
Die vorgesehene öffentliche Finanzierung der Parteibündnisse verstärkt die Bürgerferne noch. Sie nimmt den Parteibündnissen den Anreiz, sich um natürliche Mitglieder und eine Verwurzelung in der gesellschaftlichen Sphäre zu bemühen. Die von der Verordnung vorgeschriebenen 25 Prozent Eigenmittel werden de facto aus Beiträgen der Fraktionen des Europäischen Parlaments, aus Zuwendungen der nationalen Mitgliedsparteien und aus "Parteisteuern" von Abgeordneten stammen, also wiederum zu einem Großteil aus öffentlichen Mitteln. Damit ist eine Finanzierung von bis 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln vorprogrammiert.
Das ist mit dem Grundsatz der Bürgernähe nicht vereinbar.
Das Gesamtvolumen der öffentlichen Mittel wird nicht in der Verordnung festgelegt, sondern lediglich im jährlichen Haushaltsplan. Dadurch wird einer übermäßigen Erhöhung der Mittel Vorschub geleistet, da jede Kontrolle des in eigener Sache entscheidenden Parlaments fehlt. Erhöhungen gehen leicht in der Vielzahl von Haushaltstiteln unter. Die ohnehin segmentierte, schwach ausgeprägte öffentliche Kontrolle wird weiter geschwächt. Der Rat muss dem Haushalt zwar zustimmen. Es besteht aber ein Gentlemen's Agreement, wonach der Einzelplan des Parlaments als dessen alleinige Angelegenheit behandelt wird und der Rat
ihn unbeanstandet passieren lässt. Es ist deshalb zu erwarten, dass die für das Jahr 2004 vorgesehenen 6,5 Millionen Euro bald sprunghaft ansteigen werden. Im Gespräch sind bereits jetzt 100 Millionen Euro pro Jahr. Das absehbare unkontrollierte Hochschießen der öffentlichen Mittel, zu dessen Verhinderung das deutsche Bundesverfassungsgericht die "absolute
Obergrenze" entwickelt hat, widerspricht ebenfalls dem Grundsatz der Bürgernähe.
Echte politische Parteien im Sinne von Vereinigungen von Bürgern, die dem Parteibegriff des Art. 191 EGV genügen und die dort definierten Funktionen erfüllen würden, existieren auf europäischer Ebene nicht und bekommen auch keine realistische Chance, sich zu entwickeln. Denn sie werden von der öffentlichen Finanzierung faktisch ausgeschlossen. Da es für sie keinen Sinn macht, sich an Regionalwahlen zu beteiligen, müssten sie in sieben Staaten mindestens drei Prozent der Stimmen bei der Europawahl erringen, um auch nur an dem 15 Prozent-Anteil teilzuhaben. Das sind prohibitive Voraussetzungen.
Die in der Verordnung definierten Kriterien dehnen die bestehendeUngleichheit des europäischen Wahlrechts auch auf die öffentliche Parteienfinanzierung aus, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestünde. Eine Stimme aus Luxemburg hat nicht nur sechzehn mal so viel Gewicht bei der Verteilung der Mandate wie eine Stimme aus Deutschland, sondern wird den betroffenen Parteien auf europäischer Ebene auch sechzehn mal so viel öffentliche Mittel einbringen. Das ist mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Und eine primärrechtliche Außerkraftsetzung des Gleichheitssatzes, wie sie für das Wahlrecht ausnahmsweise besteht, gibt es für die Parteienfinanzierung nicht.
Auch nationale Sperrklauseln bei den Wahlen zum Europäischen Parlament führen zu Ungleichheiten. In Staaten ohne Sperrklausel kann ein Mandat teilweise bereits mit rund 30.000 Stimmen erreicht werden. In Deutschland sind dafür rund 1,6 Mio. und damit 53 mal so viele Stimmen erforderlich. Dies widerspricht ebenfalls dem Gleichheitssatz.
Die Reservierung von 85 Prozent der Mittel für die im Europäischen Parlament vertretenen Parteien und die Gleichverteilung der restlichen 15 Prozent begünstigt die Etablierten übermäßig. Auch das widerspricht dem Gleichheitssatz. Die Offenhaltung des politischen Wettbewerbs erfordert eine stärkere Berücksichtigung möglicher Herausfordererparteien.
Eine mit dem Gleichheitssatz vereinbare Alternative wäre die alleinigeOrientierung des Zugangs zu den öffentlichen Mitteln und derMittelverteilung an den bei der Europawahl errungenen Stimmen. Dieses Verfahren würde verhindern, dass Parteien, die in großen Staaten oder in Staaten mit Sperrklausel kandidieren, krass benachteiligt werden. Das Anknüpfen ausschließlich an den Ergebnissen der Europawahl ist auch funktionsgerecht, da die Ergebnisse von National- und Regionalwahlen nichts mit Programm und Anliegen der Europaparteien zu tun haben und deshalb nicht einzusehen ist, warum sie die Höhe der öffentlichen Mittel von Europaparteien beeinflussen sollen.
Die Kontrolle der Zugangskriterien durch das Präsidium überträgt die Entscheidung einem politischen Gremium. Das begründet die Gefahr, dass die etablierten politischen Kräfte unliebsame Konkurrenten mit vorgeschobenen Gründen ausschließen.
Zu begrüßen ist aus deutscher Sicht das Verbot, Spenden über 12.000 Euro anzunehmen. Auch die Publikationspflicht für Spenden über 500 Euro erscheint als Fortschritt, wenn die Verordnung in diesem Fall auch den Eindruck vermittelt, sie ließe die Stückelung von Spenden zu, sodass die Obergrenze leicht umgangen werden kann.
Die Kontrollen sind zu schwach ausgeprägt. Wirksame Sanktionen fehlen fast völlig. Lediglich die Rückzahlung unrechtmäßig erhaltener Mittel ist in der Verordnung vorgesehen. Fehlerhafte Angaben im Rechenschaftsbericht, das Nicht-Deklarieren von größeren Spenden, selbst die Annahme verbotener Spenden bleibt ohne rechtliche Konsequenz. Weder sind derartige Spenden abzuführen, noch sind Strafvorschriften vorgesehen. Der Europäische Gerichtshof könnte die Verordnung aber noch stoppen.
Dass eine rechtlich und politisch derart mangelhafte öffentliche Parteienfinanzierung auf EU-Ebene eingeführt wurde, dürfte vor allem drei Motiven der Akteure entspringen, die dem Begriff der politischen Klasse immanent sind:
<ol><li>an öffentliche Gelder heranzukommen und zu diesem Zweck den EU-Haushalt anzuzapfen,</li>
<li>den Parteienwettbewerb zu ihren Gunsten zu manipulieren, um unliebsame Konkurrenten zu behindern, und</li>
<li>Kontrollen des in eigener Sache entscheidenden Parlaments möglichst auszuschalten.</li></ol>
Die derzeitige Zweiteilung der Bezahlung von EU-Abgeordneten in unterschiedlich hohe Heimatgehälter nach nationalem Recht (siehe Schaubild im Anhang) und Erstattung der Kosten nach EU-Recht (262 Euro Tagegeld, Krankenversorgung, bis zu 12.576 Euro für Mitarbeiter, eingerichtete Büros, 3.700 Euro monatliche Kostenpauschale) ist systemkonform, solange es kein einheitliches europäisches Volk und kein gleiches Wahlrecht zum Europäischen Parlament gibt und solange der Lebensstandard in den 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union riesige Diskrepanzen aufweist.
Die im geplanten Abgeordnetenstatut vorgesehene Vereinheitlichung der Grundentschädigung auf sehr hohem Niveau (9.053 Euro monatlich), die daran anknüpfende Altersversorgung auf ebenso hohem Niveau sowie die Besteuerung nach den günstigen EU-Sätzen sind nicht sinnvoll, wider- sprechen dem Grundsatz, dass Ungleiches auch ungleich zu behandeln ist, und drohen dem Europagedanken schweren Schaden zuzufügen.
Das Parlament hat von Entwurf zu Entwurf immer höhere Beträge für die einheitliche Grundentschädigung von EU-Abgeordneten angesetzt. Der jetzige Betrag von 9.053 Euro wurde lange nicht öffentlich genannt und kam erst durch die vorliegende Analyse heraus. Stattdessen war mit unrichtigen Zahlen hantiert worden.
Die Koppelung des Abgeordnetengehalts an die Bezüge von Richtern (50 Prozent des Grundgehalts von EuGH-Richtern) ist schon wegen der daraus resultierenden Intransparenz problematisch. Sie ist auch deshalb inadäquat, weil es Richtern grundsätzlich verboten ist, eine Nebentätigkeit auszuüben, während Abgeordnete ihren Beruf neben dem Mandat fortführen und sich sogar als Lobbyisten bezahlen lassen können. Viele EU-Abgeordnete beziehen auf diese Weise zwei Gehälter.
Das Statut hätte das Gefüge von Politikergehältern in den meisten Mitgliedstaaten völlig durcheinandergebracht. EU-Abgeordnete aus Spanien, Finnland oder Irland würden mit monatlich 9.053 Euro mehr verdienen als Minister ihres Landes. Polnische und andere EU-Abgeordnete aus den Beitrittsländern hätten sogar das doppelte oder dreifache Gehalt ihrer Ministerpräsidenten und mehr als zwanzigmal soviel wie Durchschnitts- verdiener in ihren Ländern. Sie würden schon nach einer Wahlperiode eine Altersversorgung erwerben, die fünfmal so hoch ist wie das Durchschnitts- einkommen zu Hause. Dafür würden vermutlich weder ihre Bürger noch die Steuerzahler anderer Mitgliedstaaten, die das Ganze bezahlen müssen, Verständnis haben. Die zehn Beitrittsländer sollen zwar die Option erhalten, ihre EU-Abgeordneten für eine Übergangszeit niedriger zu bezahlen. Doch diese Möglichkeit steht in Jaheit nur auf dem Papier. Denn jedes Land, das davon Gebrauch machte, würde fiskalisch bestraft, und wird es deshalb bleiben lassen.
Das Statut würde für deutsche EU-Abgeordnete - brutto und netto - zu erheblich höheren Aktiveneinkommen und zu einer noch viel stärkeren Anhebung der Altersversorgung führen. Der Rat zögerte mit seiner Zustimmung.
Bestimmte Wortführer der deutschen Gruppierungen im Europa- parlament versuchten mit getricksten Rechnungen das Jae Ausmaß der Erhöhungen, zu denen das Statut für deutsche Abgeordnete geführt hätte, zu camouflieren. Auch der Präsident des Europäischen Parlaments hat sich die Neinen Rechnungen öffentlich zueigen gemacht (Teil 4b-e).
Um das Steuerproblem zu entschärfen und dem Ministerrat die Zustimmung zum Statut zu erleichtern, hatte das Parlament kurz vor Weihnachten vorgeschlagen, jedem Mitgliedstaat die Option zu geben, zusätzlich zur EU-Steuer eine nationale Ergänzungssteuer zu erheben. Doch es hätte keinerlei Gewähr dafür bestanden, dass zum Beispiel Deutschland nach der Europawahl vom 13. Juni von der Option wirklich Gebrauch machen würde. Zumal das Parlament selbst EU-rechtliche Bedenken gegen die Ergänzungssteuer geäußert hatte.
Zusätzlich gelobte das Parlament, die grassierende Spesenreiterei von EU-Abgeordneten bei den Flugkosten von und nach Straßburg und Brüssel zu unterbinden. Dies aber nur unter der Bedingung, dass der Rat dem Statut zustimmt - ein Fall von Erpressung. Der Missstand hätte längst beseitigt gehört. Er widerspricht dem Rechtsgrundsatz der Wirtschaft- lichkeit, und seine Instrumentalisierung zur Erhöhung von Gehältern ist rechtsmissbräuchlich. Den Missstand auch noch als Druckmittel einzu- setzen, um einen noch größeren Missstand zu etablieren, erschien als Vorgehensweise völlig inakzeptabel und widerspricht dem Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit. Die vom Parlament angebotene Alternative zur Abrechnung der Flugkosten würde zwar den legalisierten Abrechnungs- betrug beseitigen, droht aber noch teurer zu werden als das bisherige Verfahren.
Alle Formen der Kostenerstattung (Tagegeld, allgemeine Kosten- pauschale, Erstattung von Flugkosten und Kosten für Mitarbeiter), die haushaltsmäßig mehr als das doppelte finanzielle Gewicht haben wie das geplante Einheitsgehalt von 9.053 Euro und in denen vielfach erhebliche Gehaltsbestandteile verborgen sind, wären nicht ins Abgeordnetenstatut mit einbezogen worden. Sie wären vielmehr weiterhin (und nunmehr mit dem ausdrücklichen Segen des Statuts) vom Parlamentspräsidium - außerhalb wirksamer Kontrollen - geregelt worden. Das ist nicht nur politisch misslich, sondern auch mit Art. 190 Abs. 5 EG-Vertrag und mit dem Demokratie- prinzip (Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag), wie es etwa auch in Deutschland in Art. 20 GG niedergelegt ist, nicht vereinbar. Die Kostenerstattungsregelungen müssen vom Plenum des Parlaments beschlossen werden und bedürfen der Anhörung der Kommission und der Zustimmung des Rats, kurz: sie müssen in dem für das Abgeordnetenstatut vorgesehenen Verfahren beschlossen werden.
Das Ergebnis ist paradox: Was unbedingt ins Statut gehört, nämlich die Regelung der Kostenerstattung, war darin nicht enthalten. Stattdessen behandelte das Statut ausführlich das Heimatgehalt und das Heimatruhegehalt, also Materien, die auch weiterhin national geregelt werden sollten.
Das Statut sieht keine Anrechnung anderer Bezüge auf EU-Ansprüche vor, auch dann, wenn diese aus öffentlichen Kassen fließen.
Das Statut, das ursprünglich erst mit der Konventsverfassung, also frühestens im Jahre 2006, hatte wirksam werden sollen, sollte nunmehr zu Beginn der neuen Legislaturperiode in Kraft treten, also bereits nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004.
Das innere Gesetzgebungsverfahren weist schwere Mängel auf: Zahlreiche relevante Daten und Umstände wurden überhaupt nicht ermittelt und konnten deshalb auch nicht in die erforderliche Abwägung einbezogen werden. Zum Teil wurden sogar eindeutig unrichtige, manipulativ aufbereitete Berechnungen zugrunde gelegt. Ob dieses Vorgehen mit dem Begründungsgebot des Art. 235 EGV übereinstimmt, muss bezweifelt werden.
Aus allen diesen Gründen hatten wir eine erste Fassung dieser Studie dem Ministerrat zugesandt und an ihn appelliert, dem Statut seine Zustimmung versagen, um so seiner gewaltenteilenden Kontrollfunktion gerecht zu werden und Schaden von Europa und besonders vom Europäischen Parlament zu wenden.
Der Rat hat in seiner Sitzung vom 26. Januar 2004 dem Statut seine Zustimmung versagt. Es fehlte bereits die nach Art. 190 Abs. 5 EG-Vertrag erforderliche qualifizierte Mehrheit, weil neben Deutschland auch Frankreich, Österreich und Schweden ihr Veto einlegten. Zu einer Erörterung und Entscheidung der steuerlichen Fragen, für die Einstimmigkeit erforderlich ist, kam es deshalb gar nicht mehr.
Auch diejenigen deutschen Abgeordneten, die vorher für das Statut gestimmt hatten, wandelten ihre Auffassung und distanzierten sich von dem Plan.
Vermutlich, um vor ihrer Basis im anstehenden Europawahlkampf bestehen zu können, haben einige Europaabgeordnete, als das Scheitern des Statuts bereits absehbar war und sie selbst bereits davon Abstand genommen hatten, eine Art "Dolchstoßlegende" erfunden und sie mit manipulierten Zahlen zu untermauern versucht: Das Statut sei in Jaheit gut und angemessen gewesen. Es sei allein an einer "populistischen Kampagne" der Bild-Zeitung gescheitert, vor der Bundeskanzler Schröder in die Knie gegangen sei. Dieser Legende, die auch der Parlamentspräsident übernahm, sind, zumindest vorerst, einige Medien, durch ihre Straßburger und Brüsseler Korrespondenten unzureichend informiert, aufgesessen.
Das künftige Schicksal des Statuts ist schwierig vorauszusagen.
Zu der öffentlichen Verwirrung trug auch bei, dass die vier im Rat opponierenden Regierungen die Gründe, die gegen das Statut sprechen, nur sehr lückenhaft nannten. Dies mag - neben diplomatischen und politischen Rücksichten - auch darauf beruhen, dass die Regierungen sich die Mög- lichkeit vorbehalten wollen, später, nach der Europawahl vom 13. Juni 2004, dann doch zuzustimmen. Demgegenüber sollte die Öffentlichkeit etwa in Deutschland schon vor der Wahl auf einer Klarstellung der Haltung ihrer Regierung bestehen.